Montag, 26. Oktober 2015

Wer, wie, wo, was - und warum überhaupt?? Familientisch-FAQs

Was ist denn so schlecht an Brei? Und verschluckt der sich nicht? Zwiebel kann er doch sicher nicht essen! Das Gulasch ist doch viel zu scharf gewürzt für ihn! Wird dann nur gespielt mit dem Essen? Warum überhaupt macht man das? Und vor allem: Wie lange willst du denn NOCH stillen?

Solche und ähnliche Fragen haben vermutlich viele Mamas schon gehört wenn sie sich entschließen einen Ernährungsweg abseits vom Breischema einzuschlagen. Dabei ist die Idee, den Kleinen nicht nur fein pürierte Kost anzubieten, gar nichts Neues, aber wie so vieles im Leben kommt jede Idee alle paar Jahre wieder. Zwar wurde auch in der weiteren Vergangenheit oft das Essen vorgekaut oder püriert, aber nicht immer. Oftmals war es üblich dass die Kleinen einfach - sobald das möglich war- mitgegessen haben vom Tisch. Da mal einen Erdäpfel, dort einen Semmelknödel. Erst als die Brei-Industrie so richtig Aufschwung bekam geriet stückige Kost etwas ins Hintertreffen.
Dann aber wurde plötzlich den Müttern suggeriert, das ganze Brei kochen sei ein großes unergründliches Geheimnis, Breischemata gibt es in unglaublich vielen Versionen, und fortan sollte kontrolliert werden wieviel Gramm welchen Breis wann zu sich genommen wurde. Das ging so weit dass in früheren Werbebotschaften sogar davon gesprochen wurde dass Mütter den Brei niemals so gut machen könnten wie es die Industrie kann. Komplett ohne Schadstoffe, und überhaupt soooo viel besser! Zuhause sei das Brei machen viel zu gefährlich! Tja, es hat gewirkt.
Eine Woche lang Karotten, eine Woche Zucchini, oder doch umgekehrt? Fakt ist, ganz so kompliziert wie es scheint, ist es nicht. Jedes Land hat beispielsweise seine eigenen Empfehlungen, und manches was bei uns möglichst "vermieden" werden soll bei Beikostbeginn steht in einem anderen Land ganz oben auf der Beikost-Skala.
Mütter von Kindern die vehement jedes Löffelchen Brei ablehnen hatten es oft schwer in den letzten Jahren, wurde ihnen doch vermittelt dass nun das Beste fürs Kind (also Brei, am besten noch fertig Gekaufter!)  seinen Weg nicht in den kindlichen Mund findet und das ganz ganz schlecht sei!

Ihr seht schon, an Brei kann ich nicht im Geringsten etwas Verwerfliches finden. Sehr wohl aber an Fertig-Babynahrung und deren Werbebotschaften, und an Kinderärzten die ohne Blick auf die bisherige kindliche Entwicklung oft schon im 3. Lebensmonat auf Beikostbeginn drängen. Weiterhin soll und darf das jede Mutter für sich entscheiden, und das ist gut so! Für mich allerdings stellte sich die Frage: Soll mein Kind AUSSCHLIEßLICH fertiges Essen bekommen, wenn ich selbst doch jeden Tag frisch koche und esse und Fertigprodukte bei uns im Normalfall nicht auf den Teller kommen (in meinen Augen spricht nichts gegen ein Notfall-Gläschen)? Soll ich zusätzlich zu den 3-4 Mahlzeiten täglich die ich für mich und den Mitgenießer frisch zubereite auch noch für den kleinen Mitgenießer täglich 3-4 eigene Mahlzeiten zubereiten? Stehe ich ab jetzt tatsächlich den ganzen Tag ausschließlich in der Küche?
Durch meine Arbeit als Krankenschwester hege ich eventuell eine natürliche Abneigung gegen zu Tode püriertes, wahllos miteinander vermischtes Essen (aber wer bitte würde diese Abneigung nicht mit mir teilen?)
Und so begann ich mich über Alternativen schlau zu machen. Wo landet man dann? Vermutlich gleich mal bei Baby-led-weaning. Übersetzt bedeutet das Baby-geleitetes Abstillen, abgekürzt BLW.
Über dieses Konzept findet ihr im Netz ein riesiges Füllhorn an Information, und auch die Literatur zum Thema wurde kräftig aufgestockt in den letzten Jahren. Von daher werde ich hier nur kurz drauf eingehen, und eher von unseren Erfahrungen damit berichten.



Beim BLW bekommt das Kind ab Beikostreife (hier ein Link dazu: Beikostreifezeichen ) viele verschiedene Nahrungsmittel angeboten, anfangs in gut greifbarer Form zum Ablutschen, Abbeißen und Kosten, später dann einfach genau so wie auch die anderen Familienmitglieder die Nahrungsmittel zu sich nehmen. Die wenigen Ausnahmen die man meiden sollte sind Honig (wegen Botulismusgefahr), ganze Nüsse (wegen der Gefahr des Verschluckens), und Salz und Zucker in größeren Mengen. Ich persönlich warte auch noch mit Blattsalaten und zb Blattspinat, weil der kleine Mitgenießer den nicht zerkleinert bekommt.
Ihr denkt da fehlt was? Fleisch, Milchprodukte? Nein, das alles dürfen die Kleinen schon mitgenießen.
Basis beim BLW ist allerdings, dass die Nahrungsmittel wirklich Beikost sind, also weiter gestillt wird oder entsprechend Pre-Nahrung angeboten wird bis das Kind von sich aus die Stillmahlzeiten reduziert. Das kann schnell gehen, oder aber unter Umständen auch sehr lange dauern (Wer bei einer langen Stilldauer Angst um das Wohlbefinden von Mutter und/oder Kind hat möge sich diesbezüglich bitte selbst informieren bei den Empfehlungen der WHO oder auf einschlägigen Seiten wie der La Leche Liga zum Beispiel. Als Hinweis: empfohlen wird ausschließliches Stillen für mindestens 6 Monate, und danach begleitend bis zum 2. Lebensjahr oder darüber hinaus sofern Mutter und Kind dies wünschen).

Und wie schaut das Ganze bei uns dann aus?
Der kleine Mitgenießer saß in seiner Wippe eigentlich schon von Geburt an bei uns am Tisch bei den Mahlzeiten. Er hatte noch nicht so richtig Interesse direkt an den Lebensmitteln, aber an allem rings um ihn herum. So gab ich ihm ab Beikostreife (das war bei ihm mit ca. 6 Monaten, kann auch mal mit 5 Monaten sein bei anderen Kindern, oder auch erst mit 10 Monaten) einfach gerne mal ein Stück hin, nicht unbedingt zum Essen, aber zum Erforschen, Erfühlen, mal dran kosten. Es dauerte tatsächlich noch länger bis er wirklich mal was geschluckt hat, und genau so soll und darf es sein. Ich hatte keine Eile, keine Sorge dass ihm was fehlen könnte, denn er wurde ja weiter gestillt so oft er wollte (das ist übrigens bis heute noch so!).
Scheinbar fand er gleich Gefallen dran, denn schon bald aß er kleine Stückchen oder Portionen mit bei uns, am Windelinhalt kann man das ja gut erkennen). Mittlerweile scheint er ganz nach der Mama zu kommen, er isst gerne und mit wirklichem Genuss, kostet fast alles und freut sich immer wenn er merkt es gibt was zu essen.
Begonnen haben wir mit  Gemüse- und Obststicks, die er gut greifen konnte. nicht zu fest (sonst bekommt er es nicht zerkleinert im Mund) und nicht zu weich (die Koordination ist anfangs noch nicht so gut, da zermatschen die Kleinen alles leicht beim Versuch es nur festzuhalten). Klingt kompliziert, man hat es aber schnell raus als Mama was gut geht und was nicht.
Die ersten 3,4 Wochen bekam der kleine Mann Bauchweh, das sprach dafür dass sein Verdauungssystem noch nicht so weit ist. So habe ich nochmal Tempo rausgenommen und wirklich nur ganz leicht verdauliche Sachen angeboten. Besser wäre gewesen nochmal zu pausieren, er hatte aber so einen Spaß dran dass das nicht funktioniert hätte, ihm plötzlich wieder nichts mehr zu geben.



Vor kurzem wurde er 1 Jahr alt, und seit er ca. 8 Monate alt war isst er komplett bei uns mit, also auch gewürzte Gerichte, Suppen, Müsli, alles was eben auf den Tisch kommt. Das erleichtert einiges im Küchenalltag, und ich bin wirklich froh dass alles so klappte, und würde es immer wieder so machen.

Natürlich gibt's noch viel mehr interessante Themen rund um den Familientisch, und die werde ich euch die nächste Zeit ebenfalls hier beschreiben - seid also gespannt! Von fehlenden Zähnen über Getränke, Manieren und Besteck bis hin zu Verschlucken soll nichts unbesprochen bleiben! Wer gleich eine Frage hat - immer raus damit, entweder hier, via Mail oder gerne auch auf Facebook :-)

2 Kommentare:

  1. hätte ich diesen blogeintrag 16 jahre und 4 monate früher gelesen, dann hätte ich mir ein paar fragezeichen erspart. beide kinder haben breie und all daas zeug verweigert, und neben der muttermilch allerlei gekostet, aber das babyfood verweigert,. irgendwann hab ich mir gedacht, für mich brauch ich nix pürieren, ich hab eh zähne und beschlossen, dass schon alles okay sein wird, solang sie gedeihen und ich die ratschläge der ratgeber nicht zu ernst nehme, weil ich die kinder ja nicht zwingen kann, das angeratene zu essen... mein glück, dass beide große kinder waren, und beide eher an oder sogar über der oberen perzentile... jedenfalls wunderbar, das jetzt zu lesen - so entspannt, so gut argumentiert, so grundvernünftig - bravo frau himbeerschoko! liebe grüße von irmi e.

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    1. Liebe Irmi, ich freue mich ehrlich so richtig über deinen Kommentar!! Deine Intuition hat dir damals schon den richtigen Weg gezeigt, zum Glück - die Kinder wissen meistens schon, was ihnen gut tut, und was nicht (die Gummibärchen und Schokolade tun vermutlich zumindest ihrer Seele gut ;-) )
      Heutzutage bekommt man überall erzählt wie man was machen muss, so geht einem oft das Bauchgefühl flöten. Nehmen wir es uns einfach zur Aufgabe täglich mal aufs Bauchgefühl zu hören, das würde uns allen gut tun!
      Alles Liebe dir und liebe Grüße!

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